Die zwei Sensen
Das reife Feld, wer heimst es ein,
Wer nimmt ihm seine Bürde ab,
Wer bringts zur Ruh im Abendschein,
Bereitet ihm das Wintergrab?
Und all die Blumen fallen mit,
Die, weiß und rot und gelb und blau,
Erzittern vor dem Schnitterschritt,
Wenn er beginnt im Morgengrau.
Das dacht ich im Vorübergehn,
Als ich den reichen Segen sah.
Und leise kam ein sanftes Wehn,
Klang wie Misericordia.
Am andern Morgen, noch vor Tag,
Als wieder ich vorüberging,
Hört ich den ersten Sensenschlag,
Der scharf einblitzte wie zum Ring.
Ein alter Bauer, Ackerzucht,
Mit weißem Haar und weißem Bart,
Schlägt in den Roggenstrich mit Wucht,
Sein Auge mustert streng und hart.
Nur selten kommandiert er Stopp
Und wischt sich von der Stirn den Schweiß,
Dann mäht er wieder grad und grob,
Die Sonne wütet juliheiß.
Schon geht der dritte Tag zu End,
Ein letztes Fleckchen steht noch da.
Wo schwach die Abendsonne brennt,
Klingts leis Misericordia.
Nun holt er aus, die Sense singt,
Da still – wer ist der andre Mann,
Der hinter ihm die Sense schwingt?
Das ist der große Welttyrann.
Der Alte stürzt dahingerafft,
Denn Mensch, wie Frucht sind Erntegut.
Tief aus der Erde quillt die Kraft,
Und in die Erde tropft ihr Blut.
Indessen bammelt sich der Tod
Ein Sternblümchen ans Beckenbein
Und bummelt, todesunbedroht,
Gemächlich durch die Felderreihn.